Die vergessene Eisenbahn über Frankenheim

Gastbeitrag von Siegfried Hartmann („Itzi“)

Es war im Jahre 1902, als in den Gasthäusern von Frankenheim ein ungeheures Raunen umging.

Auf den Holztischen der Wirtsstuben lagen Karten ausgebreitet, auf denen mit feiner Hand Linien gezogen waren, die von Fulda nach Meiningen führten – und mitten hindurch, wie ein Blitz durch den Himmel, über das kleine Bergdorf Frankenheim.

Der Mann hinter diesem kühnen Plan war Adolf Dümmler, ein Unternehmer mit rastlosem Geist. Geboren 1851 in der Pfalz, war er seit 1880 in Frankenheim ansässig.

Er hatte bereits die Fabrikation von Uhren und Tabak versucht, immer auf der Suche nach einem Weg, das wirtschaftlich darbende Dorf in der Rhön zu neuem Leben zu erwecken. Doch seine ersten Bemühungen endeten verlustbringend. Aber Dümmler war keiner, der aufgab.

Als sich die Kunde verbreitete, dass eine Eisenbahnlinie zwischen Fulda und Meiningen geplant sei, witterte Dümmler die große Chance. „Wer die Bahn bekommt, der bekommt die Zukunft!“, soll er in einer abendlichen Runde im Gasthaus gerufen haben.

Seine Augen leuchteten, als er die Idee malte: Güterzüge, die das Schwarze Moor durchqueren, Touristen, die in die Rhön strömen, und ein aufblühendes Frankenheim, dessen Straßen endlich von Wohlstand erfüllt wären.

Dümmler erwarb die Sophienhöhe, einen Kurhausbetrieb, und machte sie zu seinem Stützpunkt. Von hier aus plante er, verhandelte und schrieb Briefe an die Eisenbahnverwaltungen.

Die von ihm gezeichneten Karten – auf denen Orte wie Oberweid, Birx und das Schwarze Moor eingezeichnet waren – zeigten eine kühne Trasse, die die Grenzen von Bayern, Preußen und Sachsen-Weimar kreuzte.

Doch der Weg war steinig. Bauern misstrauten den Plänen, fürchteten den Verlust ihrer Felder. Schmuggler, die im Grenzgebiet einträgliche Geschäfte betrieben, sahen die Eisenbahn als Gefahr.

Und so mischten sich in die nüchterne Arbeit von Vermessern und Ingenieuren bald auch die alten Sagen der Rhön. Man erzählte sich, dass in den Nebeln des Schwarzen Moors der Urheuwel umginge, der jede Neuerung hasste und angeblich in stürmischen Nächten die Pflöcke der Vermesser herausriss.

Dümmler ließ sich nicht beirren. 1908 baute er die Sophienhöhe aus, um Investoren und Eisenbahnbeamten Unterkunft zu bieten. Bei mondhellen Nächten führte er sie auf den Billstein, zeigte die weite Rhön und schwärmte: „Hier, meine Herren, wird bald die Lokomotive pfeifen, und der Rauch wird sich mit dem Morgennebel mischen!“

Doch die Geschichte nahm eine andere Wendung. 1914 begann der Erste Weltkrieg, und die Arbeiten kamen zum Erliegen. Die Streckenpläne verstaubten, die Pflöcke im Moor versanken.

Manche sagten, der Urheuwel habe endlich seinen Sieg errungen. Dümmler kämpfte weiter, doch die große Vision der Eisenbahn über Frankenheim erfüllte sich nie.

Heute erinnern nur alte Karten und Geschichten daran, dass die Rhön einst beinahe vom Dampflokpfeifen erfüllt worden wäre – und dass ein unbeugsamer Mann versuchte, die Zukunft über die Höhen von Frankenheim rollen zu lassen.